Zur Geschichte der Antifaschistischen Aktion

Redebeitrag gehalten von alea am 25. Mai 2025 auf der Kundgebung Re:organsiert die Antifaschistische Aktion

Der Erste Weltkrieg war das Ende für die deutsche Monarchie. Nachdem klar war, dass der Krieg verloren war, empfahl die Oberste Heeresleitung am 29. September 1918 dem Kaiser, die Alliierten um einen Waffenstillstand zu ersuchen und die Regierung gemäß einer Forderung von US-Präsident Wilson auf eine parlamentarische Basis zu stellen. Der Kaiser ernannte Max von Baden zum Reichskanzler und am Folgetag bot die neue Regierung den Alliierten den Waffenstillstand an. Am 28. Oktober folgten dann Verfassungsreformen. Bereits in der darauffolgenden Nacht begann mit einer Meuterei von Matrosen in Wilhelmshaven die Novemberrevolution. Sie weitete sich innerhalb weniger Tage auf das ganze Reich aus und überall wurden Arbeiter- und Soldatenräte gebildet. Am 9. November verkündete Max von Baden die Abdankung des Kaisers und übertrug die Reichskanzlerschaft auf Friedrich Ebert von der SPD.

Bereits seit 1914 gab es Differenzen in der Haltung zum Krieg, die 1917 zur Abspaltung der USPD von der SPD führten. Aber jetzt verschärfte sich der Kampf innerhalb der Linken. Ebert und die gemäßigten Teile der SPD sahen in den Verfassungsreformen ihre wesentlichen Ziele bereits erreicht. Ihnen war die bolschewistische Revolution ein abschreckendes Beispiel. Sie lehnten die Diktatur des Proletariats ab und fürchteten, Deutschland könne wie Russland in einem Bürgerkrieg versinken. Sie versuchten daher, die Revolution zu bremsen und die parlamentarische Demokratie zu sichern. Demgegenüber strebten die revolutionären Teile die Räteherrschaft an. Ab 16. Dezember trat in Berlin der „Erste Allgemeine Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte” zusammen und beschloss Wahlen zu einer verfassungsgebenden Nationalversammlung. Diese fanden am 19. Januar 1919 statt und die SPD ging als Siegerin hervor. Im Februar trat die Nationalversammlung in Weimar zusammen, wählte Ebert zum Reichspräsidenten und es wurde eine SPD-geführte Regierung gebildet. Die neue Verfassung wurde schließlich im August mit den Stimmen der Regierungsparteien verabschiedet.

Erstmals war es zum Einsatz von Reichswehr und Freikorps gegen revolutionäre Soldaten während der Weihnachtskämpfe 1918 gekommen. In der Folge gründete der linke Flügel der USPD zusammen mit anderen linkssozialistischen Gruppen am 1. Januar 1919 die KPD. Ein paar Tage später wurde der Polizeipräsident von Berlin entlassen. Er hatte sich während der Weihnachtskämpfe geweigert, gegen Revolutionär:innen vorzugehen. Es kam zu Massenprotesten, die von Reichswehr und Freikorps niedergeschlagen wurden. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg wurden von Freikorps verhaftet und ermordet. In der Zeit von 1919 bis 1921 folgten weitere Einsätze von Reichswehr und Freikorps gegen Räte, darunter die Niederschlagung der Bremer Räterepublik, der Münchner Räterepublik, des Ruhraufstandes und des Mitteldeutschen Aufstandes.

Am 2. März 1919 wurde auf Betreiben Lenins die Kommunistische Internationale – kurz KomIntern – gegründet. Diese verfolgte zunächst die Idee der Weltrevolution und förderte daher die Rätebewegung, die im Widerspruch zur SPD-Führung stand. Dies änderte sich nach dem Scheitern des Mitteldeutschen Aufstandes im März 1921 und die KomIntern sah zunächst von weiteren Aufständen ab. Man beschloss die Einheitsfrontpolitik. Dabei ging es um die Zusammenarbeit der KPD mit Arbeiter:innen anderer Parteien. Die Kooperation mit diesen Organisationen selbst lehnte man dagegen ab.

Im Januar 1923 kam es dann zur Ruhrbesetzung durch französische und belgische Truppen, was zu einer politischen und wirtschaftlichen Krise führte. Die KomIntern sah die Möglichkeit zum Aufstand wieder gekommen und plante diesen für den Herbst in den KPD-Hochburgen Sachsen und Thüringen. Die Reichsregierung erfuhr jedoch von den Plänen und ließ die Reichswehr in beiden Freistaaten einmarschieren. Nur in Hamburg kam es ab 23. Oktober zu einem Aufstand, der aber schnell niedergeschlagen wurde. Nach der Niederlage setzte man in der KomIntern auf eine verstärkte Einheitsfrontpolitik. In der Sozialdemokratie sah man nun „nichts anderes als eine Fraktion des deutschen Faschismus unter sozialistischer Maske“. Mit dieser als Sozialfaschismusthese bezeichneten Haltung und der Einheitsfrontpolitik wurde die SPD politisch zum Hauptgegner der KPD. Allerdings ist diese Gegnerschaft nicht nur die Folge politischer Überlegungen. Sie beruhte auch auf den konkreten Erfahrungen vieler Kommunist:innen während der Revolutionskämpfe in den Jahren 1918 bis 1921, gegen die die SPD Reichswehr, Freikorps und Polizei mit Gewalt vorgehen ließ.

Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 begann der Aufstieg der NSDAP. Obwohl die Partei die KPD bei Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hinter sich ließ, blieb die SPD für die KPD der Hauptfeind. Die Landtagswahl im seit der Revolution fast durchgehend von der SPD regierten Preußen gewann 1932 die NSDAP. Bei der Sitzung des Landtages am 25. Mai brachte die NSDAP am Ende der Sitzung noch einen Antrag zur Geschäftsordnung ein. Es ging dabei aber darum, das Parlament als Bühne zu nutzen, um die preußische Justiz zu diskreditieren. Denn gegen SA-Männer, die zwei Monate zuvor während Straßenschlachten drei Kommunisten erschossen hatten, wurden von der Staatsanwaltschaft hohe Haftstrafen gefordert. Als dann der KPD-Abgeordnete Pieck das Wort ergriff, rief er der Fraktion der NSDAP zu:

„Erst mit dem Auftreten Ihrer Partei im politischen Leben ist der Massenmord gegen revolutionäre Arbeiter eingeführt worden. In Ihren Reihen sitzen eine ungeheure Zahl von Mördern.”

Daraufhin brach eine Schlägerei zwischen NSDAP- und KPD-Fraktion aus, die die zahlenmäßig überlegenen Nazis für sich entscheiden konnten. Noch am selben Tag trat das ZK der KPD zusammen und titelte am nächsten Tag in der Parteizeitung Rote Fahne:

„Feiger Überfall der Nazis im Landtag auf Kommunisten. Antifaschistische Aktion! Aufruf des Zentralkomitees der KPD an die deutsche Arbeiterklasse!”

Die Ausrufung der Antifaschistischen Aktion passte zu den Erfahrungen an der Basis, wo Nazis seit Jahren extrem gewalttätig gegen KPD und SPD gleichermaßen vorgingen. Das führte jedoch zu keiner taktischen Neuausrichtung, man hielt weiter an der Einheitsfrontpolitik fest.

Mit der Machtübergabe am 30. Januar 1933 begannen die Nationalsozialisten mit der Unterdrückung linker Strukturen. Bis zur Mitte des Jahres waren KPD, freie Gewerkschaften und SPD zerschlagen. Erst 1935 gab die KomIntern ihre auf Einheitsfront und Sozialfaschismusthese beruhende Politik auf. Umgeschwenkt wurde auf eine Volksfrontpolitik, die die Kooperationen mit sozialdemokratischen und antifaschistischen bürgerlichen Parteien erlaubte. Aber unter den Bedingungen der Illegalität konnte diese Politik in Deutschland keine nennenswerte Wirkung mehr entfalten.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges setzte unmittelbar die Neuausrichtung der geopolitischen Verhältnisse ein. Der Kalte Krieg begann. Während seiner Zuspitzung zu Beginn der 1960er-Jahre kam es dann zur Vereinigung im rechtsradikalen Spektrum durch Gründung der NPD. Ab Anfang der 1970er-Jahre leitete die neue Ostpolitik Willy Brandts eine heftige Debatte über die Ost-West-Beziehungen ein. Die NPD nahm dies zum Anlass, die Aktion Widerstand, eine Sammlungsbewegung verschiedener rechtsradikaler Gruppen, ins Leben zu rufen. Da fast alle Versammlungen dieser Gruppe von Gewalt begleitet waren, kam es bald zu Konflikten innerhalb der radikalen Rechten, die in der Folge zu ihrer Aufsplitterung führten.

Antifaschismus, im Sinne von direkter Arbeit gegen neofaschistische Strukturen, war kein selbstständiges Thema in der Linken der Bundesrepublik. Dies änderte sich 1974. Der Kommunistische Bund gründete eine zentrale Antifa-Kommission. Ziel war es, breite Bündnisse und medienwirksame Aktionen zur Bekämpfung „von Nazibanden” zu initiieren. Zu diesem Zweck wurden umfangreiche Recherchetätigkeiten aufgenommen. Die Kommission richtete sich an alle, die mitmachen wollten. Auf den Publikationen des Kommunistischen Bundes wurde nun auch das Emblem der „Antifaschistischen Aktion” von 1932 wiederverwendet.

Der Anfang der überregionalen Antifa-Organisierung lässt sich auf den 21. Oktober 1981 datieren. An diesem Tag initiierte der Kommunistische Bund ein Treffen von Antifa-Gruppen in Hannover, das anschließend unregelmäßig alle paar Monate wiederholt wurde. Die Koordination nannte sich fortan kurz Norddeutsches. Von diesem Kreis ging auch die Neugestaltung des Antifa-Emblems aus.

Zum Gründungsmythos der Autonomen Antifa wurden die Aktionen gegen den Bundesparteitag der NPD am 1. und 2. Oktober 1983 in Fallingbostel. Die Bewegung wurde bekannt, neue Gruppen gründeten sich und es bildete sich ein NRW-Treffen, das mit dem Norddeutschen in Austausch stand. Eine weitere Gründungswelle von Gruppen entwickelte sich nach dem Tod von Günter Sare. Er wurde während Gegenaktionen zu einem NPD-Treffen am 28. September 1985 in Frankfurt am Main von einem Wasserwerfer überfahren. Dies führte in den folgenden Tagen zu bundesweiten militanten Aktionen und autonomer Antifaschismus wurde zum Thema in den Medien. In der Folge entstand auch das Süddeutsche. Zwischen allen drei Treffen gab es Austausch und damit bestand eine bundesweite antifaschistische Koordination.

Die Antifa-Arbeit fand halb im Untergrund statt. Demonstrationen dienten ausschließlich der Verhinderung von Nazi-Veranstaltungen und den Mobilisierungen folgten in der Regel nur einige Hundert Menschen. Gefragt waren Vollzeitaktivist:innen und der Hauptadressat blieb die autonome und antiimperialistische Bewegung. Bereits Ende 1986 ebbte die Welle wieder ab und Ende der 1980er Jahre zerfielen die zentralen Strukturen. In Göttingen verfolgte man derweil eine neue Strategie. Hier setzte man auf ein antifaschistisches Bündnis, in dem von Autonomen bis hin zu den Gewerkschaften verschiedene Gruppen und Parteien zusammenarbeiteten.

Als Ende 1989 der Ostblock zusammenbrach und die DDR aufgelöst wurde, kam es zu einem Aufschwung des Rechtsradikalismus. Gleichzeitig entstand eine neue Hausbesetzer:innen-Bewegung, die sich mit den extrem gewalttätig agierenden Neonazis konfrontiert sah. In dieser Situation entstanden viele neue Antifa-Gruppen und Antifaschismus wurde zum vorrangigen Thema in der Linken. Am 25. Juli 1992 wurde dann in Wuppertal die Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) gegründet. Im Gegensatz zur alten Koordination sollte es um eine auf Breitenwirkung ausgerichtete revolutionäre Politik gehen. Beitreten konnten nur aktive Gruppen, von denen ein hohes Maß an verbindlicher Beteiligung verlangt wurde. Die straffe Organisation und die antiimperialistische Ausrichtung der AA/BO stießen bei Antifas im Osten weitgehend auf Ablehnung. Sie hatten die DDR gerade hinter sich und für sie war Antinaziarbeit keine strategische Entscheidung, sondern unmittelbare Notwendigkeit. Nachdem mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion linke Gruppen nicht mehr im selben Umfang als ernsthafte Bedrohung betrachtet wurden und sich das Chaos der Nachwendezeit ab Mitte der 1990er-Jahre zu beruhigen begann, setzte auch ein Vorgehen des Staates gegen rechtsradikale Strukturen ein. Dies umfasste nicht nur Repression, sondern es begann auch ein staatlich finanzierter Antifaschismus. Dieses Vorgehen schränkte die Neonazis in ihren Betätigungsmöglichkeiten ein und in weiten Kreisen der Bevölkerung nahm die Betroffenheit ab. Gleichzeitig wurde die Hausbesetzer:innen-Bewegung befriedet. In der Folge lösten sich viele Antifa-Gruppen, im April 2001 auch die AA/BO, wieder auf. Die AA/BO konnte die Öffentlichkeit nie wirklich erreichen. Sie blieb im Wesentlichen von Interesse für die Szene und die Behörden.

In den 2000er-Jahren war mit dem Aufkommen der Antiglobalisierungsbewegung Antifa-Politk nicht mehr das hegemoniale Thema in der Linken. Antifa-Arbeit wandte sich in dieser Zeit in weiten Teilen Mobilisierungen und Aktionen gegen neonazistische 1.-Mai-Kundgebungen, Trauermärsche, Heldengedenken und ähnliche Veranstaltungen zu, die wesentlich von NPD, die Rechte, III. Weg oder Freien Kräften ausgingen. Dabei suchten die Antifas häufig das Bündnis mit bürgerlichen Kräften. Wo dies an Differenzen über die Wahl der Mittel scheiterte, organisierte man sich unabhängig. Ab Mitte der 2010er-Jahre verlagerte sich der Fokus dann noch einmal mit dem relativen Bedeutungsverlust der alten Parteistrukturen und der Freien Kräfte zugunsten von Bewegungen wie PEGIDA und der Partei Alternative für Deutschland.